SALUZER Der BLOG
Schreiben, was wir denken - unabhängig und unbeeinflusst. Das wollen wir. Unsere Texte werden kritisch, politisch, besinnlich und kulturell geprägt sein und immer wieder durch etwas Neues, nicht selten auch Amüsantes, ergänzt werden. Kommentare und Textbeiträge nehmen wir jederzeit gerne entgegen. Sie werden von uns wahlweise veröffentlicht oder als Anregung verstanden.
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- Peter-Jürg Saluz
Jetzt fassen viele Menschen gute Vorsätze. Ich gehöre nicht (mehr) zu ihnen. Das Geniessen werde ich auf jeden Fall nicht einschränken. Rauchen "muss" ich zudem seit Jahrzehnten nicht mehr. Als Genuss kann man das Verstinken der Umwelt, der eigenen Räume und Kleider sowieso nicht bezeichnen.
Beim Essen und Trinken beschränke ich mich allerdings kaum. Alkoholiker werde ich aber trotzdem nicht, denn die Vernunft verhindert das absolut masslose Geniessen. In einer Lebensphase in der viel Liebgewonnenes nicht mehr möglich ist, dürfen die Genussbeschränkungen aber nicht zu limitierend sein.
Bei den sozialen Kontakten werden die Schranken ganz automatisch gesetzt. Aus einem einst grossen Freundes- und Bekanntenkreis ist längst eine kleine Gruppe lieber, an mir interessierter Menschen geworden. Im übertragenen Sinn habe ich vom täglichen Konsum von Billigwein zum sporadischen Geniessen eines wirklich edlen Tropfens gewechselt.
Dass ich keine Vorsätze mehr fasse, beeinflusst mein Verhalten nicht. Ich versuche immer noch, möglichst empathisch und resilent zu sein. Um allzu viel Toleranz bemühe mich jedoch nicht, denn die verwechsle ich nicht mit der angebrachten, echten Anteilnahme, die ich immer noch empfinde.
Ich bin in den letzten Jahrzehnten kein besserer Mensch geworden und ich werde auch nie einer sein. Wenn ich guten Menschen direkt oder indirekt zur Seite stehen kann, darf man sich aber auf mich verlassen. Auch dafür muss ich keinen Vorsatz formulieren. Ich schreite nämlich lieber zur Tat und überlege nicht zuerst, was ich tun will oder tun soll. Deshalb suche ich jeden Tag nach etwas Gutem oder Erfreulichem und mache dann gerne mein Umfeld darauf aufmerksam.
Absolut prinzipientreu bin ich allerdings nicht. Vielleicht formuliere ich gerade deshalb auch keine Vorsätze. Wenn sie das Aufräumen und Loslassen betreffen würden, hätte ich beispielsweise mit der Umsetzung gedanklicher Absichtserklärungen erhebliche Probleme…
Zum Eremit werde ich auch mit meiner modifizierten Lebenseinstellung noch lange nicht. Mit echter Anteilnahme für die Not von Mensch und Tier, mit bissiger Kritik an Missständen und geistigen Irrwegen sowie mit lustvollem Geniessen werde ich das neue Jahr und meine weitere Zukunft gestalten. Darauf will ich jetzt mit meiner lieben Frau und - wenn Sie möchten - auch mit Ihnen anstossen. Eine gute Flasche werden Sie und wir doch sicher zur Hand haben.
Prosit 2025!
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- Peter-Jürg Saluz
Er hat Eigenschaften, die er pflegen will und solche, die er gar nicht mag. Fangen wir mit Letzterem an. Ihm macht seine immer wieder aufkeimende Ambivalenz zu schaffen, denn sie schwächt seine Entschlusskraft und verunmöglicht ihm im dümmsten Moment spontanes Handeln.
Freude macht ihm hingegen seine Empathie, deren Vorhandensein ihm erfreulich oft bestätigt wird. Sie macht ihn nach innen und nach aussen gefühlsaktiv und lässt ihn selbst und seine Mitmenschen spüren, dass er ein (mit-)fühlendes Wesen ist.
Es ist erstaunlich, mit welchem Sensorium ein Durchschnittsmensch ausgestattet ist. Wer es pflegt und nicht verkümmern lässt, ist reich. Das weiss auch der hier Beschriebene, der sich nicht nur zur Weihnachtszeit Gedanken über seine Empfindungen und deren Wirkung macht.
Weil die Gedanken bekanntlich frei sind, erlaubt sich der Mann oft wilde Gedankensprünge und kompromisslose Schlussfolgerungen. Er hält gelebten Hass für eine pflegenswerte Urkraft, wenn sich diese gegen das Böse richtet, und glaubt gleichzeitig an die Liebe, die er nur den friedfertigen, ehrlichen Menschen schenken will. Da er sein Gefühlsleben nicht fremdbestimmen lässt, akzeptiert der Mann selbstverständlich auch andere Ansichten. Er selbst glaubt beispielsweise nicht an Gott, aber er gönnt es seinen Mitmenschen, wenn sie an diesen glauben und damit Kraft schöpfen können. Deshalb stört in diesem Bereich auch seine Ambivalenz nicht.
Der Mann, der hier beschrieben wird, trägt mein Gesicht. Seelischen Exhibitionismus darf man mir deswegen aber nicht unterstellen. Die Karten aufdecken will ich nur wegen unserer Sonderseite. Auf dieser findet man nämlich sehr oft Texte mit Aussagen, die ich selbst für nicht zutreffend halte, aber für andere Menschen formuliere. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn ich mich mit Glaubensfragen, mit Trauer oder Zuversicht befasse. Wenn jemand auf unserer Sonderseite etwas findet, an das er glauben kann, das ihn zuversichtlich stimmt oder sogar belustigt, ist der Zweck erreicht.
Wie gesagt: Die Gedanken sind frei. Deshalb kann ich schreiben, was immer ich will. Selbst glauben muss ich ja trotzdem nicht alles. Ich lebe ja glücklicherweise nicht in Russland, China oder Nordkorea….
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- Peter-Jürg Saluz
Es ist so eine Sache mit den guten Vorsätzen. Alljährlich, wenn der Advent beginnt und das Weihnachtsfest naht, will ich eine Festtagsgeschichte schreiben, und alljährlich fehlen mir dann die Worte und Ideen. Jetzt aber bekomme ich weibliche Hilfe und Inspiration. Es ist die Erinnerung, die mir zur Seite steht und mich in Form dieser jahrzehntealten, fast schon verblassten Fotografie anspringt.
Die Weihnachtsgeschichte, die ich nicht mehr schreiben muss, weil sie das Leben längst geschrieben hat, beginnt wie ein Märchen: Es waren einmal fünf Buben, die erwartungsvoll dem nahen Weihnachtsfest entgegenblickten, was ihren liebevollen Eltern Sorge bereitete.
In der damaligen Zeit hat man jeweils als Weihnachtsgeschenk ein ausgetragenes Kleidungsstück ersetzt oder ein Pyjama, warme Finken oder selbstgestrickte Handschuhe verschenkt. Für Spielsachen oder für ein lukullisches Mahl ist in der siebenköpfigen Familie aber kein Geld übrig gewesen. Die Eltern haben darunter mehr als ihre Kinder gelitten und sich fortwährend überlegt, wie sie ihren fünf Buben Freude bereiten und auch ein paar Spielsachen verschaffen könnten. Sie haben sich dann Seidenpapier beschafft und in einer Bibliothek bebilderte Märchenbücher besorgt. Aus diesen Leihgaben sind dann unter fahrlässiger Missachtung von Bildrechten mit Bleistift und Seidenpapier Figuren auf Karton übertragen worden. Von Hand bemalt und rückseitig mit Holzstäbchen stabilisiert hat man diese Kartonminiaturen dann in eine grosse, auf der Innenrückseite ebenfalls bemalte Schachtel gestellt und den erfreuten Buben zu Weihnachten ein perfektes Minitheater geschenkt. Belebt worden ist das geniale Geschenk durch den Vater, der als Drehbuchautor und Regisseur für eine perfekte Inszenierung spannender Geschichten gesorgt hat. Dank Mutters Back- und Kochkünsten und einem aus dem zweiten Weltkrieg stammenden Rezeptbuch ist schliesslich aus den kargen Vorräten auch noch ein eigentliches Festmahl entstanden, und dieses Weihnachtsfest wird allen Beteiligten zeitlebens immer als schönstes in Erinnerung bleiben. Die Buben haben sich reich beschenkt gefühlt und sie konnten spüren, dass ihre Eltern glücklich gewesen sind.
Seither sind viele Jahre vergangen. Mittlerweile ist sogar Wohlstand eingekehrt. Man konnte und kann sich plötzlich dies und jenes leisten. So schön wie das hier beschriebene Weihnachtsfest wird trotzdem keines mehr sein. Wir werden jenes Fest und die Güte unserer Eltern nie vergessen. Sie haben uns Bescheidenheit und Nächstenliebe vorgelebt und uns in späteren Jahren erneut spezielle Weihnachtserlebnisse beschert. In den für uns wirtschaftlich besseren Jahren durften wir in der Altstadt unserer Wohngemeinde ausschwärmen und in ärmlichen Mietshäusern Geschenke verteilen. Das ist in einer Zeit gewesen, in der man noch „Bitte Thüre schliessen“ geschrieben hat, wirklich mit „Th“. Ich habe damals erlebt, was es bedeutet, wenn es in einem mehrgeschossigen Haus kein Badezimmer und für alle Parteien nur ein einziges WC im Parterre hat. Bescheidenheit muss mir deshalb niemand mehr verordnen. Was ich dank meinen gütigen Eltern erleben durfte, ist das grösste Weihnachtsgeschenk gewesen, das ich je bekommen habe und bekommen werde.
Manchmal duftet es an Weinachten nicht nach feinem Gebäck und nur nach Kohlsuppe. Wer dann den abgestandenen Mief einer ärmlichen Behausung mit weihnachtlicher Freude vertreibt, hat seine Weihnachtgeschichte bereits geschrieben.
Eine persönliche Anmerkung:
Dieser von mir verfasste Text ist schon einmal von Renate Blaes veröffentlicht worden. Er passt aber auch in die heutige Zeit. Deshalb habe ich ihn nicht verändert. Fortschreiben will ich die Geschichte an dieser Stelle aber nicht, weil weitere Kapitel für die Adventszeit zu traurig wären.