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Schreiben, was wir denken - unabhängig und unbeeinflusst. Das wollen wir. Unsere Texte werden kritisch, politisch, besinnlich und kulturell geprägt sein und immer wieder durch etwas Neues, nicht selten auch Amüsantes, ergänzt werden. Kommentare und Textbeiträge nehmen wir jederzeit gerne entgegen. Sie werden von uns wahlweise veröffentlicht oder als Anregung verstanden.

 

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Erst fragen, dann feststellen

Dass ich Rechthaberei hasse, habe ich verschiedentlich festgestellt. Allerdings könnte man diese Untugend auch mir nachsagen. Es fällt mir nicht leicht, dies zuzugeben. Zudem werde ich nachdenklich, wenn ich mir meine eigenen Schwächen eingestehe.

Rechthaberei beginnt stets mit einer Feststellung, die nicht immer zutreffend sein muss. Wenn ich behaupte, dass Recep Tayyip Erdoğan ein Diktator ist, kann mich niemand der Rechthaberei bezichtigen, weil das Geschehen in der Türkei den Wahrheitsbeweis für meine Behauptung liefert. Nicht so einfach ist es bei Donald Trump, für dessen Abweichungen von der menschlichen Norm die unterschiedlichsten Erklärungen möglich sind. Es wäre daher wirklich rechthaberisch, wenn ich den seltsamen Amerikaner spontan als Borderliner bezeichnen würde. Im Fall von Donald Trump müssen der Schlussfolgerung nämlich unbedingt ein paar Fragen bzw. Abklärungen vorausgehen. Wer sich aber in Kenntnis der vielzähligen Willkürentscheidungen ein Bild macht, wer das Symptomspektrum einer Borderline-Störung kennt und wer die Tatsachen von Fake-News aus dem Weissen Haus unterscheiden kann, darf jedoch ein Fazit ziehen und Präsident Trump entsprechend einordnen. Rechthaberei wird ihm dann sicher niemand unterstellen.

Aus „erst fragen, dann feststellen“ kann man auch „infrage stellen“ machen. Das passt dann perfekt. In Frage stellen (alte Schreibweise) sollte nämlich das amerikanische Volk seinen den Weltfrieden gefährdenden Präsidenten. Rechthaberisch wäre es dann nicht, aber zweifellos im Recht.

Doppelter Steinbock und Füdlibürger

Lassen Sie sich die Geschichte eines Doppelbürgers erzählen. Es ist meine Geschichte. Die ersten zwanzig Lebensjahre hat sie sich in Graubünden abgespielt, und seit fast fünf Jahrzehnten ist nun der Kanton Zürich mein Lebensmittelpunkt. Folgerichtigerweise besitze ich mittlerweile zwei Bürgerrechte, bin also Bündner und Zürcher.

Sofern man - was ziemlich seltsam klingt - einem Kanton etwas verdanken kann, muss ich meine Dankbarkeit wohl blau-weiss anmalen. Zürich hat mir alles gegeben, was ich heute geniessen darf. Von den Zürcherinnen und Zürchern bin ich seinerzeit mit offenen Armen empfangen worden. Das Umgekehrte habe ich allerdings erlebt, als ich zum ersten Mal mit meinen ZH-Nummernschildern durch Chur fahren musste. Es ist also klar, dass ich bei einem sportlichen Wettkampf die Zürcher Farben tragen würde, obwohl ich mich bei aller Loyalität zu meinem Wohnkanton noch immer als Bündner und in Graubünden sogar als Churer fühle. Wenn ich in euphorischer Stimmung mit abgewinkeltem Zeige- und Mittelfinger mit beiden Händen den doppelten Steinbock symbolisiere, habe ich überhaupt kein schlechtes Gewissen. Ich engagiere mich schliesslich im Kanton Zürich, obwohl ich im Herzen Bündner bzw. Churer geblieben bin.

Einem sattsam bekannten Zeitungsverleger stösst eine solche Gesinnung sauer auf. Ihm fehlt dafür jedes Verständnis. Verständnismangel kann er allerdings auch mir vorwerfen. Ich verstehe nämlich nicht, warum der als Wadenbeisser bekannte Zeitgenosse den Namen seines Blattes noch nicht modifiziert hat. „Bell-Woche“ wäre doch wesentlich authentischer als "Weltwoche". Dass der Mann mit Mehrfachbürgerrechten Mühe hat, verwundert mich übrigens auch. Er gibt sich ja ebenfalls nicht mit einem Bürgerrecht zufrieden. Ich weiss nämlich aus zuverlässiger Quelle, dass er nicht nur Füdlibürger ist.

Edelkastaniennussbaum

Eigentlich hasse ich alle überheblichen Menschen. Bei einer Gruppe ist meine Abneigung jedoch besonders ausgeprägt. Erstaunlicherweise sind es Frauen und Männer meiner Generation, die mir speziell auf die Nerven gehen. Ihr uniformiertes Auftreten stört mich nicht, denn ob man sich als Frau in ein züchtiges Ackermann-Entlebuch-Teil hüllt oder als Mann die Standard-Prostata-Jacke anzieht, geht mich nichts an. Sauer stösst mir aber blasiertes, selbstgerechtes Verhalten auf, und das manifestiert sich auf vielfache Art.

Wenn ich aufzähle, was mir wichtig ist, verstehen Sie am ehesten, was ich meine. Ich gehöre zu einer privilegierten Gruppe, denn bis zu meinem Ausscheiden aus dem Berufsleben durfte ich eine kontinuierliche Aufwärtsentwicklung erleben. Es mag sein, dass das teilweise auch mein Verdienst gewesen ist. Daher kann ich mich über das Erreichte durchaus freuen. Glück ist allerdings ebenfalls im Spiel gewesen, und das will ich nie vergessen. Ich habe also allen Grund, dankbar zu sein. Die Ackermann-Entlebuch-Prostata-Jacken-Paare der blasierten Art führen hingegen alles Erlangte auf eigene Leistungen zurück. Sie verkennen sogar, dass sie ihre berufliche Laufbahn in einer sie begünstigenden Zeit absolvieren konnten. Wie schwer es die jetzt im Berufsalltag stehenden Menschen und künftige Generationen haben, interessiert sie nicht. Solidarität ist kein Thema. Sogar bei Abstimmungen sind ausschliesslich die eigenen Interessen massgebend.

Bevor ich nun endlich die gedankliche Brücke zum Edelkastaniennussbaum schlage, möchte ich noch eine wichtige Anmerkung anbringen: In meinem Umfeld sind die selbstgefälligen Alten erfreulicherweise in der Minderheit. Mehrheitlich zeigen sich die verschiedenen Generationen meines Bekanntenkreises nämlich solidarisch, loyal und verständnisvoll. Vielleicht fallen mir gerade deshalb die unangenehmen Zeitgenossinnen und Zeitgenossen besonders auf. Allerdings errege ich bei diesen ebenfalls viel Aufmerksamkeit. Ich verletze ihre von vermeintlicher Rechtschaffenheit geprägten Gefühle durch meine unverblümte Sprache, durch meine fehlende Prüderie und - was ganz besonders schlimm ist - durch den Garten. Unter Aufsicht meiner Frau darf sich die Natur auf unserem Grundstück sanft kontrolliert ausbreiten. Das beschert uns immer wieder kleinere Naturwunder. In den letzten Jahren ist beispielsweise ein fast symbiotisches Baumpaar heran gewachsen. Eine Edelkastanie und ein Nussbaum mit ineinander greifenden Ästen tragen alljährlich Früchte. Uns machen sie Freude, doch für die selbstgefälligen Altersgenossen sind sie ein Zeugnis von Unordnung und Verwilderung. Dabei gehören die Edelkastanie und der Nussbaum längst wie Frau und Mann zusammen.

Jüngst hat das spezielle Baumpaar eine sehr heftige Diskussion ausgelöst. Ich konnte ein allmählich eskalierendes und daher lautstarkes Streitgespräch mitverfolgen. Ein Ackermann-Entlebuch-Prostata-Jacke-Paar mit traditionell verhärmten Gesichtszügen wollte sich wutentbrannt gegenseitig davon überzeugen, dass in unserem Garten ein Nussbaum bzw. eine Edelkastanie steht. Recht hatten natürlich die Frau und der Mann. Nur fehlte ihnen die Einsicht. Es zählt bei solchen Menschen ja ausschliesslich die eigene Meinung. Ich habe den Streit nicht geschlichtet und auf eine Erklärung verzichtet, denn das Edelkastaniennussbaum-Drama wollte ich schliesslich bis zum Schluss geniessen. Es hat sich gelohnt und mir zu einer erzählenswerten Episode verholfen.

In unserem Quartier wohnt eine liebenswerte betagte Frau, die schwere Schicksalsschläge ertragen musste und sehr krank ist. Sie strahlt trotzdem vor Zuversicht und Lebensfreude. Für alles, was ihr zuteil geworden ist, zeigt sie sich dankbar. Sie möchte, dass es möglichst allen gut geht, und gibt sich bescheiden. Wenn sie lächelt, strahlt sie wie die Sonne. Dieser Frau will ich die Edelkastaniennussbaum-Geschichte erzählen. Deshalb wird an einem der kommenden Tage die Sonne mindestens zweimal aufgehen. Dass die Bäume manchmal eben doch in den Himmel wachsen, ist jetzt auch bewiesen. Bei uns im Garten tragen sie sogar Früchte. Nicht nur Edelkastanien und Nüsse!


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